Nachbarrecht: Was tun, wenn Bäume und Sträucher zu Zankäpfeln heranwachsen?

Normalerweise sorgen Bäume, Sträucher und Grünpflanzen für saubere Luft. Wenn das frische Grün dem Nachbar plötzlich die Aussicht beeinträchtigt, zu viel Schatten spendet oder zu kräftig wächst, dann wird aus der sauberen auch mal dicke Luft.

Schön, wenn der Garten im Sommer nicht nur Arbeit, sondern endlich auch Erholung bietet. Wenn die grüne Rasenfläche rund ums Eigenheim für Freizeitaktivitäten einlädt und optisch gefälliges Grün als Begrenzung des eigenen Grundstücks einen Sichtschutz bietet. Schön auch, wenn die selbst gepflanzte Eiche direkt an der Grenze zu Nachbars Liegenschaft für saubere Luft im Quartier sorgt.

Alles, was im eigenen Garten gefällt, wächst indes nicht immer zur Freude aller. Wenn Bäume und Sträucher plötzlich Nachbars Aussicht beeinträchtigen, die Sonneneinstrahlung auf sein Gemüsebeet verhindern oder mit ihrem abfallenden Laub benachbarte Dachrinnen verstopfen, wächst gleichermassen mit dem Wachstum der Pflanzen auch der Ärger.

ZGB und kantonale Vorschriften

«Mit dem Besitze von Grund und Boden sind auch Pflichten verbunden», weiss Beat Walther, Präsident des Hauseigentümerverbandes der Region Thun. Immer wieder muss sich der Fürsprecher und Notar deshalb mit nachbarrechtlichen Streitigkeiten rund um den Garten befassen. «Im Vordergrund stehen dabei meistens störende Bäume oder Sträucher, welche über den Gartenzaun wachsen, und herabfallendes Laub», so Beat Walther weiter. Zwar gibt es gesetzliche Vorschriften, welche Rechte und Pflichten zwischen Gartennachbarn bestimmen. Vorab im Zivilgesetzbuch (ZGB) und kantonal, im Gesetz be treffend die Einführung des ZGB. «Ein Entscheid, ob man wirklich gerichtlich gegen den Nachbarn vorgehen will, sollte indes gut überlegt sein. Selbst wenn man gewinnt, bleibt man weiter Nachbarn», betont Beat Walther.

Abstandsvorschriften

Nun, wer sich vor dem Pflanzen eines Baumes über die gesetzlichen Rahmenbedingungen informiert, schützt sich vor unliebsamen Überraschungen. Das kantonale Gesetz (BE) teilt die Bäume nämlich in verschiedene Kategorien ein und schreibt dafür unterschiedliche Mindestabstände zur Grundstücksgrenze vor: Hochstämmige Bäume wie beispielsweise Tannen, Buchen oder Eichen müssen mindestens fünf Meter von der March entfernt gepflanzt werden. Bei hochstämmigen Obstbäumen erachtet das Gesetz indes einen Abstand von drei Metern als genügend. Bei Zwergobst, Zierbäumen und Spalieren genügt ein Abstand von einem Meter. Beeren- und Ziersträucher dürfen gar mit einem Grenzabstand von 50 Zentimetern gepflanzt werden. Stehen die Pflanzen zu nahe, so kann der Nachbar sein Recht in Anspruch nehmen und deren Beseitigung verlangen. Allerdings nur während den ersten fünf Jahren seit der Pflanzung des betreffenden Baumes oder Strauches.

Recht aufs Abschneiden

Werden zum Beispiel durch den Schattenwurf von Bäumen und Sträuchern Wohnverhältnisse markant und wesentlich beeinträchtigt, sieht das bernische Nachbarrecht ebenfalls eine Regelung vor. Der Eigentümer ist dann verpflichtet, die störenden Bäume gegen angemessene Entschädigung zurückzuschneiden oder nötigenfalls ganz zu entfernen. Bekanntlich halten sich Bäume und Sträucher ja meistens nicht an die von Menschen gesetzten Grenzen. Äste und Wurzeln wachsen spontan in Nachbars Grundstück.

In solchen Fällen kommt nun das Kapprecht zum Zug. Der Nachbar darf nämlich ausnahmsweise zur Selbsthilfe greifen und Äste und Wurzeln selber abschneiden. Allerdings nur, wenn sie sein Eigentum schädigen, und erst, wenn der Besitzer die Arbeit innerhalb einer angemessenen Frist nicht selber erledigt hat. Wer die Äste von Nachbars Baum wirklich kappt, muss diese übrigens auch behalten und die Gebühren für die Grünabfuhr selber berappen. Überragende Äste haben indessen auch positive Seiten: Das ZGB gibt dem Nachbarn nämlich das Recht, zum Beispiel Kirschen oder Äpfel von Ästen, welche ins eigene Grundstück hineinwachsen, gleich selber zu pflücken zu geniessen.

Rechtsauskünfte zum Nachbarrecht erteilen die einzelnen kantonalen Sektionen des Hauseigentümerverbandes. Infos: www.hev-schweiz.ch erhältlich.

TEXTBOX: Nachbarrecht

Das Nachbarrecht umfasst die Gesamtheit aller Vorschriften, die den Grundeigentümern bei der Nutzung und Ausübung ihres Eigentums Schranken auferlegen umso ein friedliches Nebeneinander zu ermöglichen.

Es gibt nicht ein Nachbarrechtsgesetz. Die gesetzlichen Bestimmungen sind zum Teil zivil- und öffentlich-rechtlicher Natur und verteilen sich auf zahlreiche Erlasse des Bundes, der Kantone und der Gemeinden.

Die nachbarrechtlichen Regelungen des Bundes finden sich in Art. 679 und 684ff Zivilgesetzbuch. Da diese Bestimmungen dem Schutz der Interessen der einzelnen Grundeigentümer dienen, sind diese in der Regel dispositiver Natur. Die betroffenen Eigentümer können solche Bestimmungen durch eine Vereinbarung abändern bzw. aufheben. Wollen die Nachbarn erreichen, dass eine solche Parteivereinbarung auch für Rechtsnachfolger gilt, ist eine Dienstbarkeit zu errichten, die zu ihrer Gültigkeit der Eintragung in das Grundbuch bedarf.

Eigentum - Recht - Nachbarrecht (HEV Schweiz)

 

  • 27.12.2024